Die Stiftsbibliothek von St. Florian und ihr Bibliothekar und Geschichtschreiber Czerny" In: Neuer Anzeiger für Bibliographie und Bibliothekwissenschaft Jg. 1874, Heft Juni S. 197-200 und Heft Juli S. 222-227

Neuer Anzeiger für Bibliographie und Bibliothekswissenschaft Jg. 1874, Heft Juni S. 197-200

[453.] Die Stiftsbibliothek von St. Florian und ihr Bibliothekar und Geschiehtschreiber Czerny
Der Stiftsbibliothekar und regulirte Chorherr Albin Czerny, der erst vor wenigen Jahren, bei Gelegenheit der 800jährigen Gedächtnissfeier der Uebergabe des Klosters St. Florian an die Chorherren des heil. Augustins, ein beschreibendes Verzeichniss der seiner Obhut anvertrauten Bibliothek veröffentlicht, hat soeben wieder eine Geschichte und Beschreibung dieser Bibliothek im Drucke erscheinen lassen, für die man ihm allen Dank schuldig ist; denn nicht genug, dass Czerny in dieser neuesten Veröffentlichung von der reichen Stiftsbibliothek, die unter allen Oesterreichischen Stiftsbibliotheken nicht blos eine der ältesten, sondern auch eine der gewähltesten ist, eine ebenso ausführliche wie gründliche Darstellung gegeben hat, so finden sich darin auch viele allgemeiner interessante bibliothekwissenschaftliche Mittheilungen, theils in Bezug auf älteres Bücherwesen und Klosterbibliotheken überhaupt, theils und insbesondere auf das Oesterreichische Bibliothekswesen früherer Zeit. Wenn es Czerny natürlich als den Hauptzweck seiner Arbeit bezeichnet, „den Ursprung, das Anwachsen, den gegenwärtigen Bestand eines Bücherschatzes, der ohne alle Frage im Lande Ober 
Österreich nur einen seines Gleichen habe, zu schildern, Das, was ein Zeitraum von 800 Jahren an geistigen Bildungsmitteln gesammelt, unter mancherlei Schicksalen bewahrt und dem Wissbegierigen im Lande zur freien Benützung geboten habe und noch immer biete, in geschichtlicher Entwickelung und summarischer Be­schreibung darzulegen", so hat er später noch hinzugefügt, dass „im Verlaufe der Arbeit das gesammte Bücher- und Schreiberwesen Deutsch-Oesterreichs während des Mittelalters noch mit in die Darstellung gezogen worden sei, weil diese Theile bisher wenig und unzusammenhängend in vaterländischen culturhistorischen Schriften sich behandelt finden, und die Bibliotheksgeschichte selbst auf dieser breiten Unterlage ein allgemeineres Interesse gewinne."
„Kirchendienst, Ascese und Schule nöthigten die Klöster früh­zeitig an die Anlegung einer Bibliothek zu denken. Damit war der Entstehungsgrund für eine ganze Reihe von Werken gegeben: Missalien, Chorbücher, Martyrologien, Nekrologien, Abschriften der heiligen Schriften und heiligen Väter, ascetische Tractate und Gebetbücher, Legenden, Klosterstatuten, Homiliarien und die zum Unterrichte erforderlichen Bücher mussten nothwendig angefertigt und stets erneuert werden." Hiernach könne man sich, schreibt Czerny, den ersten Bestand der St. Florianer Stiftsbibliothek wohl denken. Als an Stelle der weltlichen Chorherren, die das 737 von den Avaren zerstörte, später wiedererstandene und 900 abermals durch die Ungarn eingeäscherte Kloster seitdem innegehabt hatten, 1071 die regulirten Chorherren die Klosterstätte in Beschlag nahmen, „mussten jene Bücher vorhanden sein, welche die Messe, Chordienst, erbauliche Lesung, etwas später die Seelsorge and die Schule unabweislich verlangten." Es ist fraglich, ob die regulirten Chorherren alles das Nöthige selbst mitgebracht, oder ob sie von ihren Vorgängern, den Mönchen und den weltlichen Chorherren, Einiges ererbt haben. Viel dürfte des Letzteren jedenfalls nicht gewesen sein, vielmehr ist es wahrscheinlich, dass sich die regulirten Chorherren Alles, was ihre Bibliothek enthielt, von Anfang an selbst, sei es durch eigene Arbeit, sei es durch ihnen zugefallene Schenkungen und Vermächtnisse oder durch Kauf beschafft haben.
Trotz des von einzelnen Pröpsten den Interessen der Bibliothek zugewendeten Eifers hat dieselbe doch in den beiden ersten von Czerny bezeichneten Zeiträumen (I. „von XI. bis zu Anfang des XVI Jahrhunderts" u. II. „Zeitalter der Reformation") keineswegs sehr grosse Fortschritte gemacht, im Gegentheil hat sich in der letzten Zeit eher ein Verfall gezeigt. Am Schlüsse des XV. Jahrhunderts besass die Bibliothek nicht mehr als 465 Bände und einzelne Handschriften, die sich c. hundert Jahre später bei dem Tode des Propstes Georg (1598) blos um 386 Bde gedruckter Werke vermehrt vorfanden. Erst im dritten Zeiträume („Zeit der grossen Erhebung") folgte auf die Zeit des Verfalles eine glänzende Erhebung mit Propst Leopold L „Als Hausvater und geistliches Oberhaupt nicht minder wie als Staatsmann ausgezeichnet, fügte er zu dem Titel Pater patriae, den ihm seine Zeitgenossen allgemein gaben, auch den eines „Auctor et Patronus bibliothecae." Unter ihm wuchs die Bibliothek von einem Bestände von 486 Bänden excl. Handschriften, wie ihn Leopold bei seinem Amts­antritte 1612 vorgefunden hatte, innerhalb 25 Jahren (bis 1637) bis auf 3946 Bände und 482 Handschriften an, erhielt auch ihr eigenes Lokal errichtet und einen Bibliothekar bestellt. Auch unter Leopold's Nachfolger hatte die Bibliothek eifrige und thätige Gönner, insbesondere an dem Propste Johann Baptist (1716-32), von welchem der Leichenredner rühmen konnte, „dass er die Bücher-Behaltnuss mit gleichsam gantzen Bibliotheken vermehret", und der zudem so glücklich war, in dem 
Chorherrn Johann Pachl einen ausgezeichneten Bibliothekar zu finden. Die Bibliothek verdanke ihren Bücherreichthum den Pröpsten Leopold und Johann Baptist, schreibt der Jesuit Sebastian Insprugger, ihren Glanz und herrliche Ordnung aber ihrem Vorstande Johann Pachl, einem ausnehmend gelehrten Manne. Noch mehr geschah für die Bibliothek unter Johann Baptist's unmittelbarem Nachfolger, dem Propste Johann Georg (1732-55), von dem sie, damals über 15,000 Bände stark, eine ganz neue Stätte, einen wahrhaften Prachtbau, und die berühmte für 20,000 FL angekaufte Münzsammlung Apostolo Zeno's zugewiesen erhielt, sowie auch durch zahlreiche Bücherankäufe bedeutend bereichert wurde: es lässt sich nach­weisen, dass Johann Georg in den Jahren 1736-54 für Bücher über 11,084 Fl. und für wissenschaftliche Sammlungen und Curiositäten zur Bibliothek über 23,381 FL. ausgegeben hat. Aus der auf Johann Georg's Regierung folgenden Zeit bis zur 
Gegenwart, in der sich die Bibliothek zwar der fortdauernden Theilnahme aller Pröpste zu erfreuen gehabt hat, ist doch noch die Periode der Wirksamkeit Michael Ziegler 's, von 1769 an als Subbibliothekar, seit 1771 als Bibliothekar und von 1793 bis 1823 als Propst, als für die Bibliothek besonders fruchtbringend hervorzuheben - eine Wirksamkeit, welche selbst der Kaiser Franz I. durch die Ernennung Ziegler's zum Bitter seines Leopoldordens auszeichnen zu müssen geglaubt hat; denn in dem Diplome ist ausdrücklich hervorgehoben, dass Ziegler durch 25 Jahre der Bibliothek vorgestanden, und dieselbe mit vielen nützlichen, seltenen und kostbaren Werken bereichert habe. Gegenwärtig zählt die ganze Stiftsbibliothek über 65,000 Bände und Broschüren [*], „ein beredtes Monument der Liebe zur Litteratur", wie Czerny schreibt, „welche so viele ausgezeichnete Männer des Hauses beseelte, und eine ernste Mahnung für die Zukunft", in der man der vom Propste Johann Georg nach Vollendung des Bibliotheksgebäudes 1747 über dem Portale angebrachten Inschrift:
Hie sibi perpetuo virtutem foedere Pallas
Jungit et ambabus sacra stat ista domus
stets eingedenk bleiben möge.
Hat man unter Czerny's Leitung im ersten Theile seines Buches die „Geschichte der Bibliothek" und gleichzeitig viele Spezialitäten des früheren Bücherwesens kennen gelernt, so giebt der zweite Theil, welcher die „Beschreibung der Bibliothek" enthält, Gelegenheit, nach einem Einblicke in das „System der Bibliothek" an Czerny's Hand auf einem „Gange durch die Räume" die Hauptbestandteile derselben näher zu betrachten.
(Schluss folgt.)

[*] Genau: 39.502 Werke in 65.043 Bden, worunter 857 Inkunabeln - ausserdem 885 Handschriftencodices, 57 Kartenwerke und 302 einzelne Karten.


Neuer Anzeiger für Bibliographie und Bibliothekswissenschaft Jg. 1874, Heft Juli S. 222-227

[526.] Die Stiftsbibliothek von St. Florian und ihr Bibliothekar und Geschichtschreiber Czerny [*].
(Schluss.)
Man wird gewiss allemal wohl daran thun, vor der Besichtigung einer Bibliothek mit dem „Systeme" derselben sich näher bekannt zu machen. Freilich ist Das, was Czerny unter diesem Titel in seinem Buche gegeben hat, kein eigentliches System, sondern vielmehr nur eine Uebersicht „der an die Räumlichkeit sich anschliessenden Facheintheilung," derzufolge der gesammte Bücherbestand der Bibliothek in folgende 15 Abtheilungen sich zerlegt findet:
I. Classisches Alterthum. Durch die Aufstellung kennbar gemachte Unterabtheilungen sind: Griechische und Lateinische Classiker, Ueebersetzungen und Commentare derselben, grammatikalisch- lexikalische Hilfsmittel, historisch-geographische u. archäologisch-litterärhistorische dergl.
II. Schöne Litteratur der modernen Völker mit den Unterabtheilungen : Deutsche Litteratur sammt deutschen Uebersetzungen der schönen Fremdenlitteratur, Schöne Litteratur der Franzosen, Italiener, Spanier, Engländer, Orientalische Litteratur, Moderne Lateiner, grammatikalisch-lexikalische Hilfsmittel für alle diese Unterabtheilungen.
III. Cimelien, kostbare oder seltene Handschriften, Inkunabeln, Druckwerke im verschlossenen Schrank.
IV. Philosophie mit den Unterabteilungen: Metaphysik, Psychologie, Logik, Ethik, Aesthetik, Pädagogik und Unterrichtslehre.
V. Arzneikunde.
VI. Naturkunde. Naturgeschichte mit den Unterabtheilugen: Zoologie, Botanik, Mineralogie, Geologie; ferner Naturlehre, Mathematik, Technologie, Oekonomie.
VII. Theologie. Unterabtheilungen: Bibellitteratur, Patristiscne Litteratur, Scholastik, Theologie in den darauf folgenden Jahrhunderten, Moderne Theologie, Liturgik, Ascetik, Homiletik.
VIII. Geschichte. Unterabtheilungen: Oesterreifchische Profangeschichte, desgl. Deutsche, desgl. Europäische, Weltgeschichte, Kirchengeschichte, Geschichte der Bisthümer, Geschichte der Klöster, Biographien der Heiligen, Erd- und Völkerkunde, Genealogie und Chronologie.
IX. Rechtswissenschaft mit den Unterabtheilungen: Römisches Recht, desgl. Canonisches, desgl. Deutsches, Naturrecht, Politik.
X. Inkunabeln bis 1499 inclusive gerechnet.
XI. Handschriften.
XII. Periodische Schriften und Journale. Unterabteilungen: Kirchliche Zeitschriften der Katholiken, der Protestanten; gelehrte Zeitschriften oder periodische Publikationen 
gelehrter Gesellschaften, politische Journale.
XIII. Litteratur und Kunstgeschichte. Unterabtheilungen: Biographie gelehrter Schriftsteller, Briefwechsel, litterärhistorische Werke und Sammlungen, Geschichte der gelehrten Anstalten. Grosse Encyklopädien, Lexika und Sammelwerke. Kunstgeschichte.
XIV. Numismatik.
XV. Bibliothekwissenschaft.
Aus dieser Facheintheilung lässt sich allerdings das der wissenschaftlichen Ordnung der Bibliothek zum Grunde liegende System schwer erkennen, und es dürfte daher für Den, der die Bibliothek besichtigen will, nicht nöthig sein, sich länger damit zu beschäftigen, um so weniger, als ihm bei der Wanderung durch die Räume die einzelnen wissenschaftlichen Fächer in anderer Reihenfolge vorgeführt werden, als sie sich in der vorstehenden Facheintheilung aufgezeichnet finden.
Die gesammte Bibliothek ist in einem grossen zwei Stockwerke einnehmenden Saale und sieben Zimmern aufgestellt: Das erste davon welches sich dem Besucher unter Czerny's sehr verständiger Leitung öffnet, ist das geräumige Lesezimmer, das zugleich dem Bibliothekar mit seinen Gehilfen zum Arbeitszimmer dient. Ausser dem ganzen umfänglichen Apparate der Kataloge findet man hier die für die Leser nothwendigsten Encyklopädien, die neuesten Erwerbungen und laufenden Journale, sowie die sämmtlichen Werke der Bibliothekwissenschaft aufgestellt. Unter den letzteren, 452 Werke in 847 Bänden, glaubt Czerny als „die grösste Merkwürdigkeit" einen „Catalogus Librorum in omni facultate linguaque rariorum in 27 Foliobänden" bezeichnen zu dürfen: derselbe ist „mit 
unendlichem Fleisse von dem gelehrten Hannoveraner Philipp August Schlüter aus lauter Ausschnitten aus den Werken von Vogt, Bünemann, Gerde s, Engel, Freytag und anderer Gelehrten und aus Bibliothekskatalogen alphabetisch zusammengestellt auf schönes festes Schreibpapier geklebt und durch handschriftliche Einträge hier und da ergänzt und vermehrt" worden. Dieses Werk ist sicher als ein sehr merkwürdiges Denkmal von Fleiss und Aus­dauer seines Verfassers zu betrachten, aber Schade nur, dass der Nutzen, den das aus so verschiedenen Schriften von ganz verschiedenem Werthe zusammengestoppelte Werk gewähren kann, gewiss nicht im Entferntesten mit den darauf verwendeten Mühen im Verhältnisse steht. Im zweiten Zimmer begegnet man der Litteraturgeschichte 3232 W. in 4110 B., der Kunstgeschichte 389 W. in 569 B. und der numismatischen Abtheilung 351 W. in 546 B, Im dritten Zimmer sind die alten und neuen, gelehrten und politischen Journale oder Publicationen gelehrter Anstalten vereinigt 438 W. in 9543 B. und Heften. Von hier aus betritt man den hohen geräumigen, reichverzierten und ausgestatteten Hauptsaal, 
welcher „die Kernfächer der Bibliothek," Theologie und Geschichte, umfasst. Zuerst auf der einen Seite des Saales aus der Kirchen- und Staatengeschichte: die Oesterreichische Geschichte 1265 W. in 1639 B., die Deutsche Geschichte 1419 W. in 2044 B. und die Geschichte der übrigen Europäischen und aussereuropäischen Länder sowie die Weltgeschichte 1968 W. in 2570 B.; ferner die Kirchengeschichte mit den grossen Quellenwerken und Sammlungen 2405 W. in 3529 B.; schliesslich die Historischen Hilfswissenschaften 1233 W. in 1859 B. mit Kartenwerken in 57 B. und 302 einzelnen Bll. Die noch übrigen Abtheilungen der Theologie sind auf der Gallerie des Saales untergebracht, nämlich die Liturgik 458 W. in 565 B., die Ascetik 1365 W. in 1662 B. und die Homiletik 1591 W. in 2304 B. Ausserdem finden sich auf der Gallerie auch die gesammten Werke der Jurisprudenz mit aufgestellt, die überraschend zahlreich sind: im Fache des weltlichen Rechtes nicht weniger als 2234 W. in 3275 B., des Kirchenrechtes 1135 W, in 1501 B. und des Römischen Rechtes 505 W. in 608 B. Von der Gallerie aus kommt man in ein viertes Zimmer, „eine," wie es Czerny nennt, „einfache, schlichte Kammer, so schlicht wie die Hülle der Bücher, welche in weissgefärbtem Schweins- oder Schafleder sie ausfüllen. Es ist die Wiege der ganzen Bücher Sammlung des Stiftes, das Manuscripten- und Inkunabelzimmer." Obwohl weder von den Inkunabeln, noch von den Handschriften eine dem hohen Alter und langen Bestände des Stiftes verhältnissmässig 
entsprechend grosse Anzahl, zumal von älterem Datum, vorhanden ist - das Fach der Inkunabeln, unter denen die älteste aus dem J. 1468 stammt, zählt 857 W. in 735 B., sowie das der Handschriften, mit der ältesten ans dem IX. Jhrhdt. an der Spitze, 885 B. - so findet sich doch so manches sowohl durch Seltenheit als auch durch inneren Werth besonders ausgezeichnete Stück darunter, in welcher Hinsicht, was die Handschriften betrifft, auf das von Czerny veröffentlichte beschreibende Verzeichniss verwiesen werden kann. Von den noch übrigen drei, auf der anderen Seite des Saales gelegenen Zimmern enthält das eine, das fünfte, folgende Fächer: Naturgeschichte 478 W. in 762 B., Naturlehre „mit ihren verwandten Zweigen" (Mathematik, Gewerbkunde, Baukunst, 
Kriegskunst, Oekonomie, Gartenbau) 1211 W, in 1720 B., Arzneiknnde 739 W. in 581 B. und Philosophie mit Pädagogik und Schulwesen 1804 W. in 2224 B. In dem nächsten, dem sechsten Zimmer trifft man auf die Schöne Litteratur der Deutschen, worunter die altdeutsche besonders reich vertreten ist, 2263 W. in 4037 B., ferner auf die fremdländische dergl. 530 W. in 1339 B. mit der Orientalischen Litteratur 107 W. in 117 B., sodann auf die modernen Lateiner 1070 W, in 1107 B. und die philologischen Hilfsmittel mit Ausschluss der im letzten Zimmer mit untergebrachten „linguistischen Behelfe für die altklassische Litteratur der Griechen und Römer" 501 W. in 643 B. Nach Besichtigung des Cimelienschrankes, welcher in diesem Zimmer auch noch mit Platz 
gefunden hat, und der 278 Druckwerke in 355 B., darunter die „niedliche, aus römischen und griechischen Klassikern kleinsten Formates und der berühmtesten Officinen Europas bestehende Privatbibliothek des verstorb. Bibliothekars Klein" enthält, betritt man das siebente und letzte Zimmer, wo man die gesammten zur Alterthumswissenschaft gehörigen Werke aufgestellt findet: voran eine schöne und reiche Suite von Griechischen und Römischen Klassikern 978 W. in 1370 B. u. 1116 W. in 1208 B., hierauf die Übersetzungen und Commentare dazu 959 W. in 1394 B., weiter die grammatikalisch-lexikalischen Hilfsmittel 591 W. in 680 B, und zum Schlüsse die Werke zur alten Geschichte, Geographie, Archäologie, Litteratur und Kunstgeschichte 1040 W. in 1555 B.
Nach somit beendigter Wanderung durch die Bäume der Bibliothek ist von Czerny am Schlüsse seiner Schrift noch Gelegenheit ge­boten, von einigen interessanten Details der St. Florian er Bibliothek nähere Kenntniss zu nehmen, und überdies einen Blick auf das Bibliothekswesen in Oesterreich während des Mittelalters zu werfen. In sechs Beilagen hat er erstens unter dem Titel „Was man sich in alten Zeiten in die Bücher schrieb" eine sehr reiche Blumenlese von St. Florianer Bücherinschriften, dann zweitens einen „Standesausweis einiger Bibliotheken des Mittelalters in Oesterreich" gegeben, und drittens die „Anordnungen der Klostervisitatoren anno 1451 bezüglich der Bibliothek St. Florian" mitgetheilt, welche letztere mir interessant genug zu sein scheinen, um sie den Lesern, denen das Czerny'sche Werk nicht zur Hand ist, hier als Anhang im Abdrucke darbieten zu dürfen. In den drei letzten Beilagen findet sich eine Uebersicht von „Preisen einiger unter Propst Johann Georg von 1736 bis 1754 angekaufter Werke," ferner noch die Excommunications-Bulle Benedict XIV. vom J. 1744, welche zur Abhaltung jeglichen Schadens von der Bibliothek des Stiftes bestimmt war, und endlich ein „Verzeichniss der Bibliothekare von St. Florian" von 1637 an bis auf die neuere Zeit.

Anhang.
De librario capitulum X.
Libravius diligenter curam habeat de libris custodiendis contra pluviam et intemperiem aliasque laesiones, Aperiat quoque interdum feneßtras ut recentificetur aer et libri a putrefactione et humectatione reserventur. Habeat registrum omnium librorum ordinatum secundum falcultates et autores reponatque eos separatim et ordinate cum signaturis per scripturam applicatis ut cito inveniatur quod quaeritur. Sin-ulis quoque libris tituli superscribantur et circa principium cujuslibet voluminis exprimantur omnia in eodem libro contenta cum expressione tractatuum vel sermonum et auctorum eorum; ita scilicet: In hoc volumine continetur ille vel ille tractatus, libri Augustini, Jeronimi et cetera; et in principio, medio et fine ßignetur quod est istius monasterii et nomen illius qui librum monasterio dedit. Curet etiam solli-cite ut libri tempestive reparentur et ligentur et hoc ligatori librorum insinuet quoties opus fuerit, ne majora damna in libris eveniant. Omni etiam anno infra octavam penteoostes aut alio tempore apto re-colligat omnes libros monasterii in praesentia praelati vel decani et unius vel duornm de conventu ad evcrtendum et conspiciendum ne aliquis perierit aut a vertnibus laesus sit. Legatur etiam tunc regi­strum librorum ut sciatur an omries habeantur et si aliquis defuerit diligeDter inquiratur ubi sit, faciatque d« singulis libris concessis aliis memoriale cui concessi eint et cum repraesentantur libri deleatur me-moriate. Ad ipsum pertiiiet eos qui libros deturpant aut male tractant vel in eis aliquid propria auctoritate scribant vel delent mmonere, vel in capitulo proclamare et ut de hoc ammonitiones in capitulo fiant praeöidenti insintiare. Provideat sollicite librarius vel praelatus ut libri quorum usus habetur in conventu secundum exemplaria correcta quantum potest fieri corrigantur.
De correctoribus librorum, capitulum XI.
Committat etiam praelatus fratribus duobus ad hoc aptis ut defectus in libris occurentes considerent et unus eorum sine alio nihil inscribat vel deleatt, nec ipsi simul talia faciant secundum aestimationem sed ad exemplarla correcta recurrant nisi omnimodam certitudinemhabeant. Ceteri vero fratres cum hujusmodi defectus invenetint correctoribus manifestent. Omnes enim in conrectura libroruro magis de-bent auctoritati quam propriae aestimationi inniti, quod praecipue in libris bibliae servandum est, qui cum magna reverentia et maturi-tate tractandi sunt. Provideatur etiam, quod in aliquo loco apto ha-beantur aliqui libri legibiles, quibus fratres in communi frequentius indigent pro instructione vel dubiis quaerendis in casibus certis ut biblia glossata in toto vel in 
parte, catholicon, mamatrectus aut alii vocabularii utiles, summae aliquae, libri historiales vel legendae, aliqui libri theoloicales et sermones prout videbitur eipedire et illi alligentur aut in armario custodiantur ne perdantur. Committatur etiam alicui ad hoc apto cura de libris scribendis, qui sollicitet praelatum ut com-parentur libri pro conventu utiles et necessarii et ea quae ad hoc pertinent,
De ligatore librorum, capitulum XII.
Provideatur per praelatum ut in conventu sit aliquis fratrum qui libros sciat illigare et in suis rupturis tempestive reparare, qui semper debet tendere magis in ligando ad utilitatem quam ad subtilitatem vel curiositatem, praecipue in sexternis imponendis et praescindendis, nam in his faciliter magna damna contingere possunt. Tempore etiam lectionis vel dormitionis non laboret, nisi oecessitas compellat et tunc cum licentia faciat.

[*] Zu bemerken ist, dass zu Anfang dieses Artikels (s. oben Nr. 453) in den Worten „ein beschreibendes Verzeichniss der seiner Obhut anvertrauten Bibliothek eine beim Drucke entstandene Lücke auszufüllen bleibt; das Verzeichniss betrifft nicht die gesammte Bibliothek, sondern nur die Handschriften derselben.


Letzte Änderung 26.08.2023

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