P. Paulus Nüss "Die Stiftsbibliothek Heiligenkreuz" In : "Menschen in Bibliotheken : 25. Österreichischer Bibliothekartag, St. Pölten, 15. - 19. September 1998" S. 114-116.
(Mit freundlicher Genehmigung des Autors)
Vor 900 Jahren (1098) gründete der heilige Robert, Abt des Bendiktinerklosters Molesme in der Nähe von Dijon die Abtei Citeaux. Aus dieser entwickelte sich insbesondere unter dem dritten Abt, dem heiligen Stephan Harding, der Zisterzienserorden. Auf Initiative seines Sohnes Otto, des späteren Bischofs von Freising, berief Markgraf Leopold III., der Heilige, im Jahre 1133 Mönche aus der Abtei Morimond zur Errichtung der Abtei Heiligenkreuz in der Nähe von Baden bei Wien. In Morimond, unser Mutterkloster, war Otto eingetreten, und aus diesem zogen zwölf Mönche unter Abt Gottschalk in den Wienerwald. Die Zisterzienser leben nach der Regel des heiligen Benedikt von Nursia, der 529 das Kloster Montecassino gegründet hat. In ihr wird neben dem Gebet und der Arbeit (Ora et Labora) ebenso großer Wert auf die (geistliche) Lesung gelegt.
Nach den Bestimmungen unseres Ordens mußten die Bücher, zumindest jene, welche bei der Liturgie Verwendung fanden, einheitlich sein. So war es selbstvertändlich, daß man auch in Heiligenkreuz von Anfang an einen Ort benötigte, diese aufzubewahren. Dieser Platz war ein Teil der ursprünglichen Sakristei, die heutige Annakapelle. In diesem Armarium wurden die Bücher in drei Wandregalen aufgestellt. Dies bezeugt uns eine diesbezügliche Beschreibung in einem Bibliothekskatalog von Heiligenkreuz aus dem Jahr 1734, welcher heute Bestandteil einer St. Gallener Handschrift ist (Codex 775). Dieser Katalog ist nicht der älteste Büchernachweis der Stiftsbibliothek. Im Codex 205 der stiftlichen Handschriftensammlung befindet sich auf zwei ungezählten Folii der Katalog jener Werke, die schon unter dem oben erwähnten ersten Abt Gottschalk in Heiligenkreuz waren.
Wie (fast) alle Klöster besaß auch das Stift Heiligenkreuz eine nicht unbedeutende Schreibstube. In ihr wurde beispielsweise das vierbändige Legendarium Magnum Austriacum geschrieben, von welchem Flieder meint, es sei "die Stammhandschrift der zu Zwettl, Klosterneuburg, Admont, Melk, Lilienfeld und Wien (Nationalbibliothek) aufbewahrten Legendarien aus verschiedenen Zeiten". (Flieder, Viktor: Die Frühgeschichte des Cistercienserstiftes Heiligenkreuz im Wienerwald. - Wien, 1957)
Um dem durch die Schreibstube, durch Schenkungen und Kauf immer stärker werdenden Wachstum der Bücheranzahl gerecht zu werden, baute man Mitte des 17. Jhdts. im Anschluß an die Infirmarie, die Krankenabteilung des Stiftes, einen großen Bibliotheksraum, der allerdings 1683 von den Türken zerstört worden ist. Nach dem 'Entsatz von Wien' wurden beim Wiederaufbau des Klosters aus diesem großen zwei kleinere Räume gemacht, der jetzige Garten- bzw. Goldene Saal. Ersterer ist allerdings erst im vergangenen Jahrhundert für die Bibliothek voll adaptiert worden. Beide Räume sind mit Fresken von Carl Ritsch ausgestaltet.
Neben dem Gartensaal mußte Ende des vergangenen und Anfang diesen Jhdts. auch die Infirmarie für die Bibliothek umgerüstet werden. Grund hierfür war die Grüundung der theologischen Hauslehranstalt, der jetzigen Philosophisch-Theologischen Hochschule Heiligenkreuz. In diesem Jahr (1998) wurde nun für die Studierenden und die Lehrenden an unserer Hochschule eine Handbibliothek eröffnet, die ein dorthin ausgelagerter Teil der Stiftsbibliothek bildet. Dies zeigt sich schon daran, daß in der Signatur die Hochschulbibliothek als Saal 9 aufscheint.
Die Stiftsbibliothek als solche befindet sich im Klausurbereich, das heißt im Privatbereich des Klosters. Sie ist also nicht allgemein öffentlich zugänglich. Ihre Hauptaufgabe besteht in der Versorgung der Mitbrüder des Stiftes und der Hochschulangehörigen mit aller benötigten Lektüre. Allerdings können auch andere Personen auf (schriftliches) Ansuchen hin die Bibliothek benützen, sofern dies vom Bibliothekar genehmigt wird.
Diese oben beschriebene Möglichkeit wurde und wird insbesondere in Anspruch genommen, wenn jemand eine der Handschriften aus bestimmten Gründen im Original sehen muß. Diese befinden sich in einem eigenen Raum innerhalb der Klausur. Neben den vom Bibliothekar P. Benedict Gsell in den 'Xenia Bernardina' erfaßten Werken befinden sich noch eine ganze Reihe weiterer Bücher in dieser Handschriftensammlung, die noch einer genaueren Bearbeitung harren. Die älteste Handschrift des Stiftes (Codex 217) ist nach Gsell aus dem 10. Jhdt. Eine weitere wird von ihm auf das 11. Jhdt. datiert. Die meisten Handschriften sind allerdings aus dem 12. - 14. Jhdt. Viele von ihnen sind theologischen Inhalts, wobei besonders die große Anzahl biblischer Werke herausragt.
Fast alle von Gsell katalogisierten Werke sind mikroverfimt worden: von diesen können Kopien angefertigt werden. Derartige Anfragen werden seitens der Stiftsbibliothek an die ÖNB weitergeleitet, welche dankenswerterweise die weiteren Schritte unternimmt.
Neben den beiden genannten historischen Katalogen finden sich in der Stiftsbibliothek noch folgende: Im vergangenen Jahrhundert wurde ein zweibändiger Bandkatalog, welcher die Bücher der beiden oben erwähnten Säle umfaßt, angefertigt. Anfang dieses Jhdts. kam ein handschriftlicher Zettelkatalog hinzu, der als Ergänzung einen Schlagwortkatalog erhielt. Mit einer in den 70er Jahren vollzogenen Neuordnung des Buchbestandes wurde dieser mittels eines maschinenschriftlichen Zettelkataloges erfaßt, der nach Hausregeln getippt worden ist.
Seit Herbst 1996 werden die Bücher in ein EDV-System eingearbeitet (BIS-C der Firma DABIS). Hierfür ist ein eigener Mitarbeiter eingestellt worden. Außer ihm sind in der Bibliothek tätig (Stand März 1998) der Stiftsbibliothkar P. Dominicus Trojan O.Cist., sein Assistent P. Paulus Nüss O.Cist. und zwei ehrenamtliche Mitarbeiter.
In nächster Zukunft wird neben der Fortsetzung der EDV-Katalogisierung das Entlehnmodul des Bibliothekssytems aktiviert werden. Auch ist ein Internetanschluß im Gespräch, der allerdings noch nicht fixiert wurde.
Neben den Mikrofilmen der Handschriften ist die Bibliothek ausgerüstet mit einem Mikrofiche-Lesegerät und einem internen Netzwerk, an welches zwei Opacs (einer in der Hochschule und einer in der Hauptbibliothek) und drei Arbeitsstationen angeschlossen sind.
Letzte Änderung 15.08.2023
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