P. Eugen Müller "Die Stiftsbibliothek Lilienfeld" In : "Menschen in Bibliotheken : 25. Österreichischer Bibliothekartag, St. Pölten, 15. - 19. September 1998" S. 125-127.
(Mit freundlicher Genehmigung des Autors)
Das Zisterzienserstift Lilienfeld wurde 1202 vom Babenbergerherzog Leopold VI. dem Glorreichen gegründet und liegt 25 km südlich von St. Pölten in Niederösterreich im Traisental. Die ersten Mönche kamen aus dem Stift Heiligenkreuz im Wienerwald. Es war im Orden Brauch, daß die ersten Mönche bereits Bücher für den liturgischen und klösterlichen Gebrauch vom Mutterkloster mitbrachten. In den ersten Jahren wurden diese Bücher im Armarium, einem Raum in der Nähe des Kreuzganges und der Sakristei, aufbewahrt.
Heute befindet sich die Bibliothek im 1. Stock des Südtraktes des Stiftsgebäudes, der unter Abt Ignatius Krafft (1622-1638) errichtet wurde. Sie besteht aus vier Räumen mit dem Hauptsaal, der unter Abt Sigismund Braun um 1700 als Saalbau mit einer Fläche von 136 Quadratmetern gestaltet wurde. Die intarsierten Bücherkästen an den Wänden und die Türen sind mit feinem Schnitzwerk aus der Hand des Laienbruders Laurenz Schöfferle geschmückt. Die Türen sind eingerahmt von auf hohen Postamenten stehenden Säulen mit korinthischen Kapitellen. Türen und Kästen nehmen das Motiv der Akanthusblätter auf, die in den Stuckornamenten des Deckengewölbes und der Stichkappen verwendet wurden. An den Kanten der Stichkappen wachsen Weinranken mit üppigen Trauben empor. Stukkatur und Deckenfresken stammen von Johann Jakob Piank und Frater Ludwig Penkel. Dargestellt sind in freundlicher Farbgebung 17 Heilige und Gelehrte aus dem Zisterzienserorden. Bemerkenswert sind auch die originalen Türschlösser mit den Türkenköpfen. Besonders ansprechend ist ein in der Mitte des Saales befindlicher Arbeitstisch mit sechs Sitzplätzen und regalen für die Benützer, in denen die benötigten Bücher bereitgestellt werden konnten. Der Arbeitstisch wird von vier vergoldeten Eckvasen und einer Marienstatue als "Sedes Sapientiae" gekrönt. Sie hält Lilien in der Rechten, in der Linken das Buch "Liber vitae et praedestinationis". Auch dieser Tisch ist ein Werk des Bruders Laurenz Schöfferle von 1701.
Im Mittelalter gab es auch in Lilienfeld eine Schreibstube, da mehrere Brüder als Skriptores im Nekrologium verzeichnet sind. Zwei noch heute mit ihren Werken besonders bezeugte Professen sind erwähnenswert, so etwa Christan von Lilienfeld; er lebte um die wende vom 13. zum 14. Jahrhundert. er gilt als bedeutender Autor des ausgehenden Mittelalters und hinterließ fünf umfangreiche Miszellenhandschriften, die größtenteils auch von ihm selbst geschrieben sind. es sind lateinische verfaßte geistliche, moralische und didaktische Dichtungen, die noch in den Handschriften 137, 143, 144 und 145 der Stiftsbibliothek erhalten sind. Ein weiterer Verfasser ist Abt Ulrich mit seinem Werk "Concordantiae Caritatis", das um 1350 entstand Hs. 151 der Stiftsbibliothek. Ulrich war von 1345 bis 1351 Abt. Nach seiner Resignation widmete er sich dem Verfassen und Schreiben seines Werkes und dem Studium. Die Concordantiae Caritatis sind die umfangreichste und wohl kostbarste Handschrift vom Typus der sogenannten Armenbibeln. In ihr werden Ereignisse aus dem Leben Jesu mit Vorbildern aus dem Alten Testament in Verbindung gebracht. Neu an seinem Werk ist aber die Erweiterung der Vorbilderreihe durch Beispiele aus der Naturgeschichte, die zugleich eine gute Vorstellung von den naturwissenschaftlichen Kenntnissen des Mittelalters geben.
Ein einschneidendes Ereignis auch für die Bibliothek aber war die Aufhebung des Stiftes Lilienfeld durch Kaiser Josef II. im März des Jahres 1789. Sie dauerte zwar nur ein Jahr, aber so ziemlich das gesamte Mobiliar wurde verschleppt und somit auch die Bestände der Bibliothek. Über die vor 1789 vorhandenen Bibliotheksbestände berichtet ein Inventar von 1786, welches sich im Niederösterreichischen Landesarchiv befindet: "Die Bibliothek wird in eine Bibliotheca major und minor abgeteilt, darin befinden sich beiläufig 15000 Bände". Dieser Hinweis gibt einen kleinen Einblick, wie die Bibliothek im 18. Jh. beschaffen war. Einen ausführlichen Katalog hatte auch der Bibliothekar P. Chrysostomus Hanthaler um 1754 angelegt. Kurz nach der Aufhebung wurden alle Bücher mit zahlreichen Kupferstichen, die vorwiegend von kunstfertigen Patres des Stiftes angefertigt worden waren, an die Universtätsbibliothek in Wien übergeben, deren Übernahme der Direktor der Bibliothek, Strattman, im Mai 1789 bestätigte.
In einem Inventar kurz nach Wiedererrichtung des Stiftes im März 1790 wird berichtet, daß derzeit keine Bibliothek vorhanden sei, nachdem sie an die Universitätsbibliothek abgeliefert worden war, von wo sie erst wieder zurückgebracht werden sollte. Die Druckwerke kamen aber nicht zurück, da das Inventar von 1804 berichtet, daß die Bibliothek derzeit unbedeutend sei und lediglich aus einigen Büchern aus dem aufgelassenen Paulanerkloster in Wien bestehe. Von den Handschriften kam auch nur ein Teil zurück.
So mußte nach der Wiedererrichtung des Stiftes die Bibliothek von Grund auf neu bestückt werden. Bereits 1790 wurde dem Stift die Übernahme der Bibliothek des aufgehobenen Benediktinerstiftes Kleinmariazell in Niederösterreich durch Hofdekret zugesagt, was sich jedoch längere Zeit hinzog, da um 1804 im Inventar noch keine Bestände von dort erwähnt werden. Es kamen aber im Lauf der folgenden Jahre ungefähr 2.000 Bände aus den Beständen von Kleinmariazell nach Lilienfeld, darunter auch 47 Handschriften.
Im Lauf der folgenden Jahre waren besonders die Äbte Ladislaus Pyrker (1811-1818) und Ambros Becziczka (1825-1861) bemüht, den Bestand durch gute Bücher zu ersetzen. Einige Bände aus der Zeit vor 1789 konnten auch später noch zurückgekauft werden.
Trotz schwerer Kriegseinwirkungen um den Ort und das Stift Lilienfeld 1945 und den Folgen durch Besatzung und Plünderung blieben der Raum und Bestand der Bibliothek unbeschadet und zeigten sich nach einer 1974 erfolgten Restaurierung in gutem Zustand.
Der derzeitige Bestand der Bibliothek zählt ungefähr 40.000 Bände vorwiegend theologischen und geschichtlichen Inhalts. Die Handschriftensammlung besteht aus 229 Bänden, die Sammlung der Inkunabeln aus 120 Bänden. Die Bücher sind zum größten Teil noch in einem um 1800 begonnen Autorenkatalog erfaßt. Mitte der siebziger Jahre wurde die Aufnahme in einem Karteikartensystem durchgeführt. Da sich aber vor allem die Vervielfältigung der Kartei zur Einordnung in die Sachgruppen aus Mangel an entsprechenden Kopiergeräten als immer schwieriger erweist, geschieht die Titelaufnahme zur Zeit über PC.
Literatur:
1. Ausstellungskatalog "1000 Jahre Babenberger in Österreich, Stift Lilienfeld 15. Mai - 31. Oktober 1976" S. 752 f. Bibliothek-Saal.
2. Müller, Eugen "Die bei der Aufhebung des Stiftes Lilienfeld 1789 eingezogenen liturgischen Geräte und Kunstgegenstände" in: Analecta Cisterciensia Rom 45(1989), S. 102-120.
3. Müller, Eugen "Geschichtlicher Abriß des Stiftes Lilienfeld seit 1700" Lilienfeld 1979.
Letzte Änderung 15.08.2023
|