Siebentes Kapitel.
Ueber Klosterbibliotheken.
Wenn gleich der heilige Benedikt in seiner Ordensregel vorzüglich
auf Handarbeit drang, so erlaubte er seinen Brüdern doch in ihren
müssigen Stunden zur Erholung des Geistes ein und anders Buch aus dem
allgemeinen Schranke zu holen; ja er befahl ihnen sogar die Studien
fortzusetzen, und die Wissenschaften in Ehren zu halten.
Alle seine Klöster waren also gleichsam so viele Lehrschulen, aus
welchen immer nach dem Verhältnisse der damaligen Zeiten einige
taugliche und berühmte Männer hervortraten.
Die Unwissenheit war dazumal zu allgemein, als daß sie aus den
litterarischen Denkmälern des Altherthums wahren Nutzen hätten ziehen
können; indessen leisteten sie der Nachwelt doch den Dienst, daß sie
die Werke des Genies dem Moder entrissen, und durch ziemlich getreue
Abschriften das vorhandene Licht uns wenigstens in einer verschlossenen
Lanterne (sic!) überlieferten.
Weil nun so etwas von Kultur der Wissenschaften und Büchersammlungen in
der Regel steht, so konnten die ausgearteten Söhne des heiligen
Benedikts doch nicht so leicht umhin, wenihstens dem Anschein nach die
Vorschrift zu befolgen, und so findet man in jedem Mönchskloster eine
sogenannte Bibliothek, und so wird sogar manchmal an Prälatentafeln,
wenn die Materie vom Wetter, Oekonomie und bösen Zeiten erschöpfet
ist, ein Wort von Kultur der Wissenschaften gesprochen.
Man darf vaber nur einen Blick auf den Zustand der meisten
Klosterbibliotheken werfen, um sich zu überzeugen, daß die Bücher
nicht zum Nutzen, sondern bloß zur Zierde da stehen.
Es wird auch weislich nicht eher ein Buch eingeschafft, bis nicht
die Fässer vollgefüllet, die Mastställe mit Ochsen und Schweinen überflüssig
bestellt, und alle Bedürfnisse zum Spiel, zur Jagd, und anderen Ergötzlichkeiten
herbeygeschafft sind. Ja! ließ sich vor der Welt mit Anstand thun,
so würde mancher Prälat, statt unnütze Bücher einzuschaffen, wohl
lieber mit den vorhandenen Kehraus machen; wenigstens haben bereits
einige dieser infulirten [1] Bücherfeinde
den Büchersaal in einen Getreideboden, oder wohl gar in eine Obst-
und Wurstkammer verwandelt.
Die aber diesem Beyspiele noch nicht gefolgt sind, sorgen schon auf
andere Art dafür, daß ihre Untergebene kein Gift aus den Büchern
saugen, und nicht vernünftiger werden, als sie.
Daher haben sie aus väterlicher Vorsorge alle Werke, die nach Ketzern
riechen, (Sollte ein vernünftiger Mann wohl die Kirchengeschichte von
Fleury darunter suchen?) und sogar die Manuscripten, die ihren Vorfahren
so vielen Schweiß kosteten, in Eisen und Bande *)
gelegt.
Selbst der Bibliothekär darf sich bey Strafe der Exkommunikation nicht
unterfangen, irgend einen dieser Arrestanten los zu lassen, wenn er
nicht von Rom, das uns die Speisen für den Leib und für die Seele
vorschreibt, die Dispens erhalten hat. So eine Dispens erkauft der
Prälat aber nur demjenigen, den er als einen wahren Religiosen
befunden, und dessen Kopf und Herz durch Lesung ascetischer Bücher und
trocknes Meditiren so ausgepecht worden, daß ihm Ketzergift nicht
schaden kann.
Am liebsten aber sehen es die Herren Prälaten, wenn der Bibliothekär
sich in diesem Siechenhaus so wenig als möglich verweilt, weil es doch
bey allen Präservativmitteln möglich ist, angesteckt zu werden; daher
muß in manchen Klöstern der Pater Küchen- oder Kellerweister zugleich
die Stelle des Bibliothekärs vertreten, dem dann freylich kaum im Monat
ein Stündchen übrigbleibt, den Staub von den Büchern zu kehren; weil
doch manchmal unversehens wichtige Gäste eintreffen, die, nachdem man
sie durch alle Winkel der Prälatur, durch alle Ochsen- Küh- und
Pferdeställe, und die vollen Weinkeller herumgeführet hatte, wohl auch
die Bibliothek zu sehen verlangen könnten.
Von den übrigen Konventualen ist es keinem erlaubt, ohne höhere
Bewilligung auf die Bibliothek zu gehen, und manche sind wohl sechs und
mehrere Jahre im Kloster, ohne nur zu wissen, daß eine Bibliothek da
ist. Damit sie indessen doch nach der Vorschrift des heiligen
Ordenstifters, die Wissenschaften in Ehren halten, wird ihnen zur
erbaulichen Lektüre durch den Pater Bibliothekär hie und da ein
ächtkatholisches und approbirtes Buch aus dem allgemeinen Schranke
verabfolget: Zum Beyspiel: der beliebte Thomas von Kempen von der
Nachfolge Christi; das Himmelbrod; der Weg zum Himmel; Streit einer
christlichen Seele mit dem Fleisch; innerliche Unterhaltung mit Gott;
Hiebers gepredigte Religionshistorie; die auferbaulichen
Sonntagspredigten vom Karmeliter Justin; die christlichen Wahrheiten des
gelehrten Jesuiten Breans; die Grundvesten der Wahrheit vom Pater
Katzenberger; der komisch tragische Pater Abraham a sncta Clara; das
Leben der Heiligen, nebst dem Leben Christi von Martin Kochem; dann die
weidlichen Prediger aus dem vorigen und auch aus diesem Jahrhundert, und
so mit unter wohl auch mancher Kirchenvater, selbst der heilige
Augustin, den man nicht verstehen kann, ohne mit der Kirchengeschichte
genau bekannt zu seyn.
Die alten Klassiker werden nur den ältern Patern anvertraut, nachdem
die Stellen, die von Liebe handeln, sorgfältig unlesbar gemacht, und
die nackenden Theile der trefflichsten Kupferstiche mit Dinte
unkenntlich gemacht wurden.
Zeigt aber ein Pater Anlage zum Küchenmeister, so stehen ihm die besten
Kochbücher; z.B. der französische Zuckerbäcker, oder Anweisung von
Einmachung der Früchte; das vollständige Magazin der ganzen Kochkunst
und Zuckerbäckerey; Schregers vorsichtiger Speisemeister, sammt
Anweisung zum Kochen und Tranchiren u. d. gl. zu Diensten. **)
Wären die Mönche, so wie es ihr heiliger Ordenstifter war, noch immer
blosse Layenbrüder, die, statt im Weingarten des Herrn zu arbeiten,
ihren eignen Weingarten baueten, so möchten sie immer in ihren
Erholungsstunden, einen Kochem, einen Merz, einen P. Abraham, oder sonst
einen geistlichen Spaßvogel lesen, und es wäre der übrigen Welt
gleichgiltig, ob ihr Büchersaal mit Büchern, oder mit Obst und
Würsten angefüllet ist; so aber wollen sie Prediger, Beichtväter und
Seelsorger vorstellen, und so kann es dem Staat nicht mehr gleichgiltig
seyn, ob, und welche Bücher sie lesen, weil ihm daran gelegen seyn muß,
aufgeklärte, geschickte Prediger und Seelsorger zu haben.
Es giebt bereits hie und da einige würdige Prälaten, die, weil sie
selbst denken und studieren, ihre Geistlichen ebenfalls dazu anhalten,
und ihnen allen möglichen Vorschub thun. Diese trifft also
gegenwärtiges Kapitel nicht; sie haben gewiß die meisten Gefangenen
losgelassen, und werden sich nicht erst in Rom anfragen, ob ihre
Untergebene ein vernünftiges Buch lesen dürfen, oder nicht.
Daß es aber in den meisten übrigen Klöstern um die Bibliotheken, und
folglich auch um die Wissenschaften so aussehe, wie hier
beschrieben worden, wird jeder für eine erwiesene Wahrheit halten, der
mit uns die Bemerkung macht, daß oft ein ganzes zahlreiches Kloster
nicht einmal einenerträglichen Prediger, geschweige denn einen
Gelehrten aufweisen könne. Und es wird auch nicht anders werden, so
lang die kurzsichtigen Obern jeden Vorschritt, den Aufklärung und
Vernunft machen, für einen Annäherung des neuen Heidenthums halten,
und nur derjenige Pater in ihren Augen das Bild eines vollkommenen
Religiosen ist, der maschinenmässig, sprach- und gedankenlos, unthätig
und unbesorgt seinen Weg wandelt; derjenige aber, der sich für seine
Freystipendien, statt Wein und Bier, brauchbare Bücher anschafft, oder
sich gar unterfängt, vernünftiger als sie zu denken, ein schlechter
Geistliche und unwürdiges Glied des Ordens heißt. ***)
Wir können dieses Kapitel nicht beschliessen, ohne einen Zug von der
patriotischen Denkungsart der meisten Klosterregenten anzuführen. Bevor
noch der Geist der Reforme vom Himmel herabgestiegen war, und man
ungestört jeden Orden sein Pfeifchen schneiden ließ, schafften die
Herren Prälaten und Prioren noch immer ein und anders kostbare Buch an,
theils um ihren Büchersaal damit aufzuputzen, theils um für
Beförderer und Gönner der Wissenschaften angesehen zu werden. Seitdem
aber die Menschheit über die Schädlichkeit ihrer Existenz die Augen
geöffnet, und es nun so ziemlich mathematisch bewiesen ist, daß Leute,
die einen Staat im Staat ausmachen, unmöglich in statu quo zu lassen
seyen, ist es die allgemeine Klage der Herren Buchhändler, daß die
Klöster ausser kleinen unbedeutenden Broschüren ****)
fast gar nichts mehr kaufen; dafür aber sollen sie um so mehr Geld in
unnütze Gebäude stecken, von denen der Staat, wenn sie das Loos der
Aufhebung treffen soll, nicht den geringsten Vortheil ziehen dürfte.
Wenn diese Beschuldigung gegründet ist, so geben ja die Klöster selbst
einen Beweis wider sich, daß sie nie auf das gemeine Beste, sondern nur
immer auf ihren Privatvortheil bedacht waren.
Waren wir an ihrer Stelle, so würden wir in gegenwärtiger kritischen
Lage, wenigstens aus Politik, unseren Untergebnen die Biblotheken
öffnen, die besten neuen Werke anschaffen, und was nur immer in unsern
Kräften ist, zu ihrer Ausbildung und Aufklärung beytragen; sollten wir
auch das Jahr um einige Tafeln weniger geben, und einige tausend Gulden
weniger verspielen, verreisen, oder verjagen.
Das Vergnügen, den Staat bey unsrer Aufhebung mit einem Kern junger zum
Predigtamt und zur Seelsorge gleichgeschickter Männer zu überraschen,
müßte uns ja reichlich dafür entschädigen; und könnten wir ja die
bösen verleumderischen Layen nebenbey derb auf das Maul schlagen, die
uns etwan zur Last legen wollten: daß man in Klöstern sich auf ihre
Kosten bloß mit Essen und Trinken den Bauch fülle, und sich auf die
faule Haut lege.
Anmerkungen Original:
*) Unter die Gefangenen gehören vorzüglich die Bücher, auf denen Frankfurt
und Leipzig stand, nun aber sollen sogar einige in Wien gedruckte Bücher in
verschiedenen Klöstern die Eisen tragen. [Zurück]
**) Diese Bücher sollen zwar nur die Lektüre für den Koch seyn; allein es
ist kein kleines Mittel, die Gunst des Prälaten zu gewinnen, wenn der P.
Küchenmnister (sic!) selbst von der Kochkunst Kenntniß hat, und seinen
hochwürdigen Gebieter zu Zeiten mit unerwarteten Leckerbißchen von eigner
Erfindung überraschet. [Zurück]
***) Die Klosterobern ereifern sich nicht halb so sehr, wenn sie 10 berauschte
ältere Pater antreffen, als wenn sie irgendwo einen einzigen jungen
lehrbegierigen Mann bey einem hereingeschwärzten neuen französisch- oder
deutschen nützlichen Buche überraschen, das sie, ohne es selbst gelesen zu
haben, schon als gefährliche Ketzerschrift verdammen, weil unten am Titelblatte
Berlin und Leipzig, oder voran ein Motto vom s.v. krepirten Voltaire darauf
steht: Sieh. Brief. über die sogenannte Lobrede auf sankt Benedikt, die
die bittersten Wahrheiten enthalten, und ein getreuer Spiegel sind, in dem sich
die Herren Prälaten in Lebensgröße erblicken können, wenn es ihnen gefällig
wäre, sich daran zu besehen - - - - - [Zurück]
****) Auch diese Broschüren sollen nur von Individuen der
Klöster heimlich aufgekauft, und dann eben so heimlich in ihren Hosenarchiv
herumgetragen werden; denn der Klosterdespotismus geht so weit, daß kaum die
Beinkleider vor der Untersuchung sicher sind. [Zurück]
Anmerkungen Andreas Hepperger:
[1] infulieren: mit der Infel / Inful, dem Bischofshut bekleiden
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Letzte Änderung 27.08.2023
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Erklärung des allegorischen Kupfers.
(1) Ein Büchersaal. In der Mitte stehen zerbrochene Globus, und ein altes Teleskop *)
(2) Auf einer langen Tafel liegen verschiedene Landkarten, und gedürrten Zwetschen.
(3) Auf einer Stange, die von einem Schranke bis zum anderen reicht, hangen geräucherte Würste und Zungen.
(4) Eine Maus bemüht sich hinaufzuklettern, fällt aber rücklings herab.
(5) Eine andere nagt an einem Band der berühmten Bolandisten, der auf der Erde liegt.
(6) Der P. Bibliothekar sitzt an einem Tischchen, und verschmiert eben einige nackende Kupferstiche.
Eine grosse Flasche Wein steht neben ihm, die schon bald auf der Neige ist.
(7) Der Schrank mit den verbotenen Büchern ist mit Ketten umwunden.
*) Es wäre Unbilligkeit zu behaupten, daß alle Klosterbibliotheken so beschaffen seyn.
Wir kennen selbst Prälaturen, wo sich die herrliche Büchersammlung befindet, und wo es jedem Vater erlaubt ist,
auf die Bibliotheck zu gehen; aber unser Gemälde ist und bleibt doch immer die Kopie von der grösseren Klasse;
denn was nützt dem Kloster die ausgewählteste Büchersammlung, wenn die Individuen nicht davon Gebrauch machen dürfen,
oder wenn man ihnen höchstens die albernen Werke erlaubt, die wir im Kapitel selbst angeführt haben; aber
die Werke eines Fleury, van Espen, des Frebonius u.s.w. aus denen sie Wahrheit lernen könnten, sorgfältig von ihnen verschließt?
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